"Muuuum, Daaaad, ich bin zu Hauuuuse!"
Fast schon automatisch kamen Leo diese Wote über die Lippen, als sie mit dem Türknauf in der Hand über die Türschwelle schritt, ihren Rucksack in die Ecke schleuderte, direkt neben die Schuhe, und sich den Weg zwischen unzähligen Blumentöpfen hindurch in die Küche bahnte. Zwar stimmten diese Worte gar nicht, weder ihre aufgedrehte Mutter noch ihr erster Vater konnten dieses Reihenhaus ihr Heim nennen. Doch war es eher eine Art Insiderwitz, dass das Mädchen jedes Mal, wenn sie von der Schule, von einem Ausflug mit Freunden oder was auch immer zurückkehre, diese Worte zu rufen pflegte. Meistens folge darauf ein Kampfschrei ihres kleinen Bruders, doch dieses mal schien er nicht zu Hause zu sein.
"Niemand da?"
Sie zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war er mit Kumpels unterwegs. Tante Nacy hatte einen Termin beim Zahnarzt, soviel Leo mitgekriegt hatte. Naja, egal. Sekunden später hatte sie ein Glas in der Hand und ließ das kühle Nass ihre ausgetrocknete Kehle hinunterfließen, begleitet von einem leisen Schluckgeräusch, abgeschlossen durch ein wohliges Seufzen des gestillten Durstes. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen ging ihr erneut der Gedanke an die Aufnahmsprüfung durch den Kopf. Sie war zuversichtlich. Und wenn sie es nicht schaffte, mein Gott, die Welt würde trotzdem nicht untergehen.
Sie stellte das Glas neben die Spüle, kämpfte sich zurück in den Flur, wobei sie sich ein weiteres mal fragte, wiese ihre Tante bloß so einen Felbel für Grünzeugs hatte, schlüpfte wieder in ihre Schuhe, schnappte sich Schlüssel und Jacke und verschwand durch die Haustür.
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